Gruppentherapie

„Das psychotherapeutische Setting par excellence für die Behebung von psychosozialen Problemen und Leidenszuständen, die aus einer Lerngeschichte mit der sozialen Umgebung stammen, ist die therapeutische Gruppe“ (V. Tschuschke: Praxis der Gruppenpsychotherapie 2001).

 

Das Setting der Mehr-Personen-Beziehung als Übertragungsfeld, als Feld für das Wiedererleben vergangener Beziehungserfahrungen und als Raum der Gestaltung neuer sozialer Beziehungen bietet eine Fülle von Möglichkeiten des Erfahrens, des Erkennens und der Veränderung. Man geht davon aus, das psychische Störungen oder Krankheiten zu einem sehr hohen Grad in gestörten zwischenmenschlichen Beziehungen gründen. Egal welches zwischenmenschliche Problem ein Patient hat – seien es Abhängigkeit, Aggressivität, depressive Verstimmungen, soziale Ängste, Minderwertigkeitsgefühle, Zwänge – oder anderes mehr, in seinem Verhalten in der Therapiegruppe wird es zu Tage treten. Aber auch seine Fähigkeiten und Ressourcen werden für die Gruppe in Erscheinung treten. Auf diese Weise wird die Gruppe zu einem sozialen Mikrokosmos und kann das interpersonelle Verhalten jedes Teilnehmers analysieren und umzulernen helfen.

Gruppenpsychotherapie

nutzt die in dem sozialen Mikrokosmos einer Gruppe auftauchenden speziellen Gruppenphänomene Gruppendynamik, Übertragung, Gegenübertragung für die Psychotherapie, indem mehrere Patienten in der Gruppe behandelt werden. Die Therapiegruppe fördert und fordert das Gruppenmitglied. Die einzelnen Personen gehen miteinander in Kontakt und tauschen sich frei über ihre Erfahrungen und Erlebnisse aus. Die Gruppe generiert dabei sowohl die Dynamik unserer Gesellschaft als auch Familienaspekte und Beziehungskonstellationen eines jeden Teilnehmers.

Gruppenpsychotherapie ist eine Therapie durch die Gruppe, denn das Gruppensetting hat eine Reihe von Wirkungen, die über die Möglichkeiten einer Einzeltherapie hinausgehen. Die anderen Gruppenmitglieder können dieses Verhalten beobachten, jedes von ihnen aus einer leicht veränderten Perspektive. So erhält man eine Fülle von Informationen. Therapeutisch werden diese zu Tage gefördert und dem Patienten verträglich zugänglich gemacht. Indem der einzelne Patient angeleitet wird, sich mit den Augen anderer zu betrachten und sein problematisches Verhalten in der Gruppe zu erkennen, wird ihm therapeutisch geholfen zu verstehen, was in seinem allgemeinen sozialen Umfeld schief gelaufen ist.

Es kann sogar einfacher sein, sich in der Gruppe auf seine Gefühle einzulassen. Das Gefühl der Solidarität entsteht, dass man mit seinen Problemen nicht allein ist, dass es andere gibt, denen es ganz ähnlich geht. Genauso wichtig ist die Erfahrung: „andere Menschen sind oft anders als ich; ich kann nicht einfach von mir auf andere schließen“.

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In den Gruppensituationen werden im Verlauf die interpersonellen Probleme der Gruppenmitglieder deutlich: es wiederholt sich in der Regel das Rollenverhalten, wie es im Leben des Patienten „draußen“ in seinen Beziehungen in der Familie oder im Beruf vorkommt und interagiert mit dem der anderen Teilnehmer.

Beispiele: jemand mit übergriffig aggressivem sozialen Verhalten, das seine Integration in alltägliche soziale Gruppen beeinträchtigt, wiederholt dies, wenn er mit den anderen Teilnehmern in der Therapie-Gruppe zusammentrifft und wird darauf eine direkte Resonanz erfahren / Eine im sonstigen Leben schüchterne Person wird sich auch in der Gruppe (zunächst) schamhaft verhalten / Ein in seiner Alltagsumgebung misstrauischer Mensch, wird dieses misstrauische Verhalten zunächst auch in der Gruppe und gegenüber der Leiterin zeigen z.B. mit der Frage: „bleibt das hier Gezeigte auch wirklich unter uns?“ – dahinter möglicherweise: „ich schäme mich, gesehen zu werden“.

Gruppenmitglieder erleben und verhalten sich in der Therapiegruppe ähnlich wie im sozialen Umfeld. Dies wird genutzt um z.B. herauszufinden, wie die Probleme der Teilnehmer entstanden sind und wie sie bestimmte Situationen – musterhaft – erleben und sich in ihnen verhalten. Die Schwierigkeiten, die die jeweilige Person in die Therapie geführt haben und die in der Regel auch Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen (aller Art) sind, werden im Verhalten des Einzelnen gegenüber der Gruppe re-inszeniert und damit der hochwirksamen Bearbeitung in der Gruppe zugeführt.

Beispiele: Eine Person erlebt in anderen Personen der Gruppe einige, denen er sich unterlegen fühlt ähnlich wie gegenüber seinen Geschwister, die es weiter gebracht haben als er selbst. Er kann nun beispielweise vermehrt darauf aus sein, „es denen beweisen“ zu müssen oder dafür zu sorgen, dass er in dieser Gruppe auf keinen Fall zu kurz kommt oder seinen Platz wütend zu verteidigen. / Eine weitere, eher unsichere Person erlebt in der anderen – u.U. auch der Leiterin – positive Mutteraspekte und begibt sich bei Konfliktthemen schnell in deren Nähe, weil sie sich allein zu schwach fühlen würde.

Das jeweilige Verhalten der Teilnehmer kann bereits mehr oder weniger bewusst sein. Viele Patienten sind sich nicht darüber im Klaren, was ihre zu Grunde liegenden unbefriedigten Bedürfnisse und Sehnsüchte sind, w a s sie w i e fühlen und wie sie häufig auf andere wirken. Hier bietet die Gruppe ein ideales korrigierendes Feld.

Zusammengefasst kommen folgende Faktoren in der Gruppe zur Wirkung:
frei nach Bloch/Crouch, Yalom, Tschuschke

Allgemeingültigkeit:

  • Viele Patienten haben das innere Gefühl, sie seien einzigartig in ihrem Elend und nur sie allein hätten bestimmte erschreckende oder unerwünschte Impulse und Fantasien. In der Gruppe hören Sie, dass andere sich mit ähnlichen Sorgen, Fantasien oder Lebenserfahrungen plagen. Schwindet das Gefühl der negativen Einzigartigkeit, führt das zu großer Erleichterung.
  • Hoffnung / Therapieerfolgserwartung:
    Gruppenmitglieder, die sich in ihren unvorteilhaften bzw. unangepassten zwischenmenschlichen Verhaltensmustern verhaftet fühlen, können Hoffnung schöpfen, wenn sie andere Personen aus der Gruppe von der Therapie profitieren sehen.
  • Hilfsbereitschaft:
    Mitglieder geben anderen Hilfe und erleben dabei neu ihren eigenen Wert für andere
  • Konfliktlösendes Aufarbeiten der Erfahrungen in der Herkunftsfamilie:
    In der Gruppensituation werden oft alte familiäre Konflikte unbewusst reinszeniert und nochmals stellvertretend durchlebt. So können sie im Gruppentherapiesetting besonders intensiv therapeutisch reflektiert und bearbeitet werden.
  • Gefühlsausdruck:
    Gefühle offen auszudrücken und Affekte freizusetzen sind wichtiger Bestandteil der Gruppentherapieerfahrung und werden in der Regel gefördert. Besonders bedeutsam ist dabei, dass die Teilnehmer lernen, wie sie Gefühle ausdrücken können und dass die Mitteilung von scham- oder schuldbesetzten Aspekten vor anderen keine Katastrophe im zwischenmenschlichen Umgang darstellt.
  • Entwicklung neuer geeigneterer sozialer Umgangsformen:
    In Gruppen können neue soziale Fertigkeiten durch gegenseitiges Feedback ausprobiert werden, das den Teilnehmern viele Informationen über problematisches oder unsympathisches zwischenmenschliches Verhalten liefert. Mitglieder von Langzeitgruppen lernen hoch kompetent zuzuhören, auf andere einzugehen, unvoreingenommen zu sein sowie Mitgefühl zu entwickeln und auszudrücken. Fertigkeiten, die im zukünftigen optimierten zwischenmenschlichen Umgang außerhalb der Gruppe große Bedeutung besitzen werden.
  • Lernen am Modell:
    Teilnehmer an Therapiegruppen nehmen sich oft Verhaltensweisen anderer Teilnehmer oder des Therapeuten zum Modell. Selbst wenn die Vorbildfunktion nur von kurzer Dauer ist, hat die Erprobung neuer Verhaltensweisen in der Gruppe unschätzbaren Wert bei der Auflösung erstarrter Verhaltensmuster. Zurückhaltendere Gruppenmitglieder profitieren besonders von diesen Stellvertretereffekten.
  • Gruppenzugehörigkeitsgefühl:
    Die Erfahrungen innerhalb einer Gruppe, etwas zu teilen, akzeptiert zu werden und eine Gruppensituation erfolgreich zu meistern, entfaltet große therapeutische Wirkung.

Erfolge in der Therapiegruppe übertragen sich auf das Verhalten außerhalb der Gruppe. Nachdem Patienten neues Verhalten in der Gruppe erfolgreich ausprobiert haben, verändern sie analog dazu Ihr Verhalten auch anderorts.

Wie läuft eine Gruppentherapie ab?

Eine Gruppe setzt sich aus mindestens fünf bis neun Teilnehmern zusammen, so dass Wartezeiten bis zum Beginn der entsprechenden Therapie möglich sind. In einem Vorgespräch prüfe ich zunächst gemeinsam mit Ihnen, inwiefern eine Gruppentherapie für Sie zielführend und unterstützend sein kann.

Die Gruppensitzungen dauern jeweils 2 x 100 Minuten mit Pause aufeinanderfolgend an einem Tag (z.B. ca. 17h – 20.40h oder 18h – 21.40h). Die Behandlungsdauer erstreckt sich über mindestens ein Jahr oder mehr, entweder 14-tägig oder 1 x wöchentlich.

Der Einzelne schafft sich seinen eigenen interpersonellen Raum in der Gruppe selbst. Für die jeweilige Position, die er sich innerhalb der Gruppe geschaffen hat, ist jeder selbst verantwortlich. Alles, was einem Patienten in der Gruppe widerfährt, ist auch Reaktion auf sein eigenes Verhalten.

Folgende Lernerfahrungen werden dabei durchlaufen:

  • Wie werde ich von anderen wahrgenommen?
  • Welche Gefühle ruft mein Verhalten bei anderen hervor?
  • Wie beeinflusst dieses Verhalten die Meinung oder den Eindruck anderer von mir?
  • Welche Auswirkungen hat dies alles auf mein Selbstwertgefühl?

Der Ablauf der Gruppentherapie ist an wenige, aber wichtige Regeln gebunden:

  • Regel: Stillschweigen und Vertraulichkeit
    Eine davon ist die moralische Verpflichtung zum absoluten Stillschweigen über das, was in den Sitzungen gesprochen wird, natürlich auch über das spätere Ende der Therapie hinaus. Nur so können sich die einzelnen Gruppenmitglieder geschützt fühlen und die notwendige Offenheit mitbringen. Falls zwischen den Gruppensitzungen Zusammentreffen einzelner Mitglieder stattfinden, so sollte dies in der Gruppe zur Sprache gebracht werden.
  • Regel: Konsequente Teilnahme
    Eine andere wichtige Regel ist die möglichst ununterbrochene Teilnahme an den Sitzungen.
    Die Haltung der Therapeutin ist dabei wohlwollend, akzeptierend und neutral. Die Therapeutin hat die Funktion, den Rahmen der Gruppe zu gewährleisten und dabei zu helfen, die Prozesse in der Gruppe besser zu verstehen, so dass jeder seinen Nutzen daraus ziehen kann.

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Die Gruppe hat je unterschiedliche Funktionen für ihre Teilnehmer: sie ist ein Ort der vielfältigen Identifikationsmöglichkeiten, der Entlastung und Sicherheit, sie bietet Unterstützung bei vielfältigen psychosozialen Konfliktfeldern und ist gleichzeitig ein Ort der Reflexion und Auseinandersetzung mit sich selbst und anderen, indem sie Selbstzustände, Beziehungen zu anderen und eigene Affekte spiegeln kann. Die Pluralität der Werthaltungen in der Gruppe können Veränderungen der betreffenden Person erleichtern. Zudem können im Schutz der Gruppe neue, unvertraute Verhaltensweisen „ausprobiert“ werden. Die Gruppe ist ein Ort des Probe-Handelns.
Die Resonanz der Gruppenteilnehmer auf den einzelnen, die Akzentuierung des Aufgetauchten, die Achtung und vor allem die Versprachlichung von vorher nicht sprachlich Vermitteltem finden sich gewissermaßen in jedem Moment der Gruppensitzung in hoher Intensität, auch für solche Gruppenmitglieder, die sich nicht aktiv beteiligen. Dieser Prozess ist meist intensiver als in der Einzeltherapie.

Eine Gruppenpsychotherapie kann auf verschiedene Weisen erfolgen. Dazu gehört:

  1. die Therapie des Einzelnen in der Gruppe, bei der die Teilnehmer als Beobachter fungieren (identifikatorisches Lernen)
  2. die Therapie des Einzelnen durch die Gruppe, bei der die Gruppe ein therapeutisches Element ist und die einzelnen Teilnehmer Co-Therapeuten sind
  3. die Therapie der Gruppe, bei der die Gruppe als System in den Fokus genommen und Veränderungen in den Blick genommen werden
    Je nach Gruppendynamik steht mehr der eine oder andere Aspekt im Vordergrund.

Das Ziel dabei ist, dass möglichst alles, was die Gruppe und ihre Mitglieder betrifft, auch in der Gruppe angesprochen wird. Es wird zunächst an den manifesten und latenten Schutz- und Abwehrbemühungen der einzelnen Gruppenteilnehmer gearbeitet. Die Auseinandersetzung mit anderen Teilnehmern unter dem Aspekt des „Modell-Lernens“ kann dabei hilfreich sein. Die Existenz und Wirksamkeit „schräger“, neurotischer Verhaltensmuster wird durch die Rückmeldung der Teilnehmer als eine Art „Realitätscheck“ erlebbarer.

Dies kann methodisch durch Inputs der Gruppenleiterin gefördert werden.

Die Kosten

Gruppentherapie ist möglich als alleinige Therapieform oder aber im Anschluss an- oder kombiniert mit einer Einzeltherapie, um die Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Einzeltherapie in der Gruppe zu erproben und zu festigen.
Nach Genehmigung des Antrages auf Kostenübernahme, den Sie – wie bei der Einzeltherapie – an Ihre Krankenversicherung mit meiner Unterstützung stellen, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten. Bei Ihrer privaten Krankenversicherung sollten Sie sich vorab erkundigen, ob die Kosten erstattet werden. Bei Erstattung bringen Sie die entsprechenden Formulare bitte mit. Sollten die Kosten nicht übernommen werden, müssen Sie diese selbst tragen.

Die versicherungsrechtlichen Möglichkeiten sind im Einzelfall zu besprechen.